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1733 | Süderoogsand

Ein doppelt beplanktes niederländisches Kraweel aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Blaubach-Priel östlich des Süderoogsandes

Von einem der entlegensten Außenposten Schleswig-Holsteins erhielt das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) vor rund zwei Jahren eine ungewöhnliche Fundmeldung: Aus dem Blaubach-Priel östlich des Süderoogsandes ragte 2018 ein Spant aus dem Sediment, der von Holger Spreer entdeckt wurde. Als Pächter der Hallig Süderoog und Ranger des Nationalparks Wattenmeer ist er einer der wenigen Menschen, die in diesem Gebiet unterwegs sind. Mittlerweile ist der Spant beprobt und datiert.

Bei einem weiteren Besuch im März 2020 war das Wrackteil mittlerweile vollständig frei erodiert. Da aufgrund der Tidenströmungen und der exponierten Lage zu befürchten war, dass das Wrack binnen kurzer Zeit zerfällt, galt es so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Die archäologische „Erstversorgung“ erfolgte Ende März von der benachbarten Hallig Süderoog aus. Holger Spreer und Paul Rusch führten eine erstklassige Fotodokumentation und Beprobung in direkter Abstimmung mit dem ALSH durch. Diese Aktion stieß auf mediales Interesse und wurde von RTL-Nord in einem am 2. April gesendeten Kurzbeitrag ausgestrahlt.

Das Wrack Ende März 2020 (© Paul Rusch)

Ende April konnte das Wrack schließlich von mir im Auftrag des ALSH dank der exzellenten Kooperation mit dem Finder in Augenschein genommen werden. Durch die Untersuchung des Wrackteils konnten bereits viele bauliche Details abgelesen werden, die einen Aufschluss über die mögliche Herkunft des Schiffes geben.

SfM-Modell des Wrackteils unter Anwendung von Agisoft Megashape (© Daniel Zwick)

Die erste dendrochronologische Untersuchung ergab ein Datum von nach 1640. Die Untersuchung von weiteren Holzproben hat mittlerweile ein Fälldatum von ca. 1733-1736 ergeben. Die Bauweise entspricht einer in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts praktizierten Sonderform des Kraweelschiffbaus. Mit der revidierten Datierung dieses Wracks ist somit der Nachweis erbracht, dass diese Sonderform auch noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert praktiziert wurde.

Das Wrack weist eine doppelte Außenbeplankung auf und ist somit nach dem Hörnum Odde Wrack (um 1690) nun schon das zweite Wrack dieser Art in Schleswig-Holstein. Weltweit sind rund 12 Wrackfunde dieser Art bekannt, von denen die meisten nachweislich Schiffe der Niederländischen Ostindienkompanie waren, wie z. B. die berühmte 1629 vor Australien gesunkene „Batavia“. Aber auch andere Schiffe erhielten zu der Zeit eine doppelte Beplankung, wie z. B. Walfangschiffe oder die sogenannten „Sandskuder“ aus Dänemark. In unmittelbarer Umgebung zum Wrack fanden sich eine Tonpfeife und eine Scherbe einer altniederländischen Fayence mit blauer Pinselbemalung. Derartiges Tischgeschirr war den Wohlhabenden vorbehalten und wurde in den Niederlanden hergestellt und von dort exportiert. Diese Fayencen waren dem chinesischen Porzellan nachempfunden zu einer Zeit, als Made in China noch als Qualitätsmerkmal galt.

Der Halligwart von Süderoog Holger Spreer (links) mit dem Fund einer niederländischen Fayence (© Daniel Zwick)
Die beim Wrack gefundene niederländische Fayence (© Holger Spreer)
Begutachtung des Wracks durch mich Ende April 2020 (© Holger Spreer)
Zu Gast auf der Hallig (© Daniel Zwick)

Weitere Ergebnisse werden unter anderem mit der Untersuchung zusätzlicher Holzproben und einer archivalischen Recherche der Strandungslisten erwartet. Neben dem Wrack der 1870 gestrandeten spanischen Bark „Ulpiano“ und einem weiteren noch nicht identifizierten Holzwrack liegt mit diesem Wrackfund nun das dritte historische Wrack vom Süderoogsand vor. Aufgrund der starken Küstenerosion sind in den letzten Jahren vermehrt Wrackfunde im Nordfriesischen Wattenmeer zutage gekommen, wie zuletzt 2017 auf dem Japsand bei Hallig Hooge und 2016 auf Hörnum Odde, Sylt.

Literatur

  • Zwick 2020: D. Zwick, Neues Wrack aus dem 18. Jahrhundert beim Süderoogsand untersucht. In: Archäologie in Deutschland 6, 2020, 64.
  • Zwick & Daly (in Vorbereitung): D. Zwick and A. Daly, A new 18th- century Dutch-built shipwreck off Hallig Süderoog, Germany (Arbeitstitel).