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1690 | Hörnum Odde, Sylt

Ein doppelt beplankes niederländisches Kraweel aus dem späten 17. Jahrhundert im Nordfriesischen Wattenmeer

Am 3. Oktober 2016 wurde an der Südspitze Sylts, an der Hörnum Odde, ein bislang unbekanntes Schiffwrack aufgrund der Küstenerosion freigespühlt. Für rund 300 Jahre war es von einer Sanddüne bedeckt, aber im Oktober war die Dünenabbruchkante soweit landeinwärts gewandert, dass das Wrack plötzlich unmittelbar in der Brandungszone lag und nur bei Niedrigwasser und ablandigem Wind zugänglich war. Es wurde von der zuständigen Behörde – dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) – untersucht und die schwierigen Bedingungen machten eine schnelle und effektive Art der Dokumentation notwendig. Das Wrack wurde mit dem SAPOS eingemessen, für eine Structure-from-Motion Modellierung fotografiert, mit im Gelände angefertigten Handzeichnungen ergänzt, und Proben für eine dendrologische Untersuchung entnommen.

Die Lage des Wracks im Kontext der sich verändernden Küstenlinie. Die Basiskarte von 2014 zeigt die Lage des Wracks unter der Düne an, bevor die Dünenabbruchkante sich weiter ins Land verlagert hat (Zwick et al 2018, modifiziert).
Wrack-Sektion 1 im Oktober 2018 (ALSH)
Wrack-Sektion 2 im Dezember 2018 (ALSH)

Die Untersuchung der Bauweise ergab, dass einige Charakteristiken typisch für die sogenannte Dutch flush Methode sind, so wie sie in der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande im 17. Jahrhundert praktiziert wurde und von Zeitgenossen wie Nicolaas Witsen und Cornelis van Yk beschrieben wurde, wie z.B. die Verwendung von spijkerpennen (Holzpropfen), ein filigranes Spantensystem, bei dem Bodenwrangen nicht mit Auflangern verbunden sind, sowie massiven Planken die über Feuer gebogen wurden. Außerdem konnte der Nachweis für eine doppelte Eichen-Beplankung erbracht – im Fachjargon als Double Dutch bekannt – mit den teilweise sich trunkierenden Holznägeln, die mit der zweiten Plankenschale zusammenhängen. Mit einem terminus post quem von 1690 ist dies der jüngste Vertreter der bislang bekannten Double Dutch Konstruktionen und räumt mit der Annahme auf, dass es sich bei dieser Art der Konstruktion um ein flüchtiges Phänomen des frühen 17. Jahrhundert handelte.

Hörnum Odde Wrackplan mit den im Oktober und Dezember 2016 dokumentierten Rumpfsektionen (Zwick et al 2018, modifiziert)

Während die Bodenwrangen im Mittschiffsbereich aus Kiefer waren und nicht für eine dendrochronologische Untersuchung beprobt werden konnten, ergab die Provenienzbestimmung für die Eichenplanken und Bodenwrangen das Weichselgebiet für erstere und Brandenburg/Havelregion für letztere. Dies waren typische Abholzungsgebiete aus denen niederländische Schiffbauer ihr Holz akquirierten. Nur wenige Wracks mit einer Double Dutch Konstruktion sind heute bekannt und die meisten waren nachweislich Schiffe der Niederländischen Ostindienkompanie. Allerdings gibt es auch Anzeichen, dass doppelt beplankte Schiffe von niederländischen Walfängern bei Spitzbergen eingesetzt wurden, oder im dänischen Küstenhandel mit Sandskudern (Sandschuten), die sich auf das Trockenfallen in der Tidezone im dänischen Wattenmeer spezialisiert hatten, insofern bleibt die letztendliche Identifikation des Wracks noch immer ein Rätsel.

Literatur: